Blogtober,  Selbstfürsorge

22. Blogtober – Stillen, Daddeln, Baby schnuppern

Ein wunderbarer Gastbeitrag von Katherine!

Stillen, Daddeln, Baby schnuppern – Medien im Wochenbett

Hier und da ploppen Kampagnen auf, die Rabeneltern darauf hinweisen möchten, sich mehr mit ihrem Kind statt mit dem Smartphone zu beschäftigen. Kinderwagen schieben und dabei ins Smartphone schauen: hochgezogene Augenbrauen, verächtliche Blicke. Vorbild sein, darum geht es. Klar. Wohl kaum stellt aber eine solche Kampagne eine vermeintlich (!) fehlende Bindung her. Naja, das ist nochmal ein anderes Thema. Ich möchte eigentlich über die Zeit davor schreiben: über die Zeit im Wochenbett.

Smart Pregnancy

Eigentlich fängt es ja schon in der Schwangerschaft an. Gerade beim ersten Kind ist die Unsicherheit noch so groß, dass man gern alles mögliche im Internet nachschlägt. „Darf ich Schokoküsse essen“, habe ich damals noch unerfahren gegoogelt, wegen vielleicht rohem Eiweiß darin. „Iss doch lieber einen Apfel“, hieß es in einem Forum. Danach habe ich die Online Recherche auf das Nötigste beschränkt und mir gleich zwei Kisten Schokoküsse gekauft. 

Wie viel Strahlung verträgt so ein un- oder neugeborenes Leben eigentlich? Beim ersten Kind haben wir sicherheitshalber nachts noch das WLAN ausgeschaltet und die Handys (mein erstes Smartphone habe ich kurz vorm ersten Kind angeschafft) außerhalb des Zimmers geladen.

Das mit dem Serien schauen hat in der (ersten) Schwangerschaft noch sehr gut geklappt. Ich hatte die Ruhe und den ohnehin fehlenden Bewegungsdrang mit zunehmender Bauchgröße. Sicherheitshalber haben wir die Lautstärke bei actionreichen Szenen runter geregelt und sehr aufregende Filme gemieden. Einmal, beim Filmfestival, hatte ich schon Bedenken wegen des Kinosounds und habe mich gefragt, wieviel Dezibel so ein Bauch eigentlich wegfiltert. Hätte ich googeln müssen. Hab ich dann gelassen.

Bubbles

Und dann war es auf der Welt, das K1. In der Klinik habe ich unabhängig von der Zeit, denn die stand irgendwie still und wach war ich sowieso ständig, weil ich gestillt habe, die wichtigsten Personen über das freudige Ereignis informiert. So entstand dann auch eines der ersten Fotos von mir, mit Kind – und Handy in der Hand. Seufz.

Zu Hause haben wir uns erstmal eingemummelt und so wenig Kontakt nach außen haben wollen wie möglich. Das war auch ganz gut so. Die wenigen kleinen realen Verabredungen, die mich aus dem Lagerkoller nach einiger Zeit holen sollten, haben mir nämlich jeweils prompt einen Milchstau mit Fieber und allem beschert. So kam ich zu den sozialen Netzwerken. Tag und Nacht waren Gleichgesinnte ansprechbar und man tauschte sich über ähnliche Themen aus. Ich merkte, dass ich ja gar nicht so allein war mit dem, was mich gerade so beschäftigte. Das digitale Dorf war für mich ein Segen. „Was tue ich, wenn …?“, „Ist es normal, dass …?“, „Wo finde ich …?“, „Kennt jemand …?“, „Mir geht es genauso!“

Ich entdeckte immer mehr Blogs und las mich immer tiefer in meine heutige „Bubble“ ein. Und weil ich ein Baby hatte, das Tag und Nacht auf mir schlief, sich nicht ablegen ließ und ich es auch nachts wie eine Stola um den Hals trug, schaltete ich das WLAN dauerhaft frei (einen Datentarif hatten wir zu der Zeit noch nicht) und daddelte nun eben auch im Bett. Shame on me.

Eltern, die auf Smartphones Babys starren …

Ja, es ist wunderschön, dieses kleine Wesen zu betrachten, zu riechen und die kleinen Fingerchen zu halten. Sanft mit ihm zu sprechen, ihm Dinge zu erzählen, die es so vielleicht noch nicht versteht, aber sich im Tonfall sicher und geborgen fühlt. Es ist großartig, ihm in die immer wacheren Augen zu schauen, seine Geräusche und Geräuschchen wahrzunehmen. Aber 24/7 ist das halt wirklich anstrengend. Der eigene Körper ist dauerhaft belagert, es gab nur noch das Mutter-Ich und das Baby. Da liegen und stillen. Oder rumlaufen und schuckeln (das hat der Papa nachts zum Glück übernommen). Bücher waren einhändig oft zu schwer und unhandlich und sind immer aufs Kind gefallen (sorry dafür, K1). Also habe ich wieder Serien geschaut und im Smartphone gelesen, mich virtuell unterhalten, Termine gemacht, Dinge organisiert, eingekauft, mich informiert, Podcasts gehört, ja sogar einhändig und stillend die Dankeskarten zur Geburt gestaltet und die Website für das Geschäft meines Mannes aufgesetzt … denn all das tue ich nun einmal mit unseren elektronischen Geräten.

Und herrje, welch ein Segen. Lange wollte ich das Haus einfach noch nicht verlassen, außer vielleicht mal für einen kleinen Spaziergang im Wald. Aber nach Menschen war mir einfach im realen Leben überhaupt nicht. Natürlich haben wir mit Stillkissen etc. bestmöglich Abschirmungen gegen das Flackern des Bildschirms gebaut und die Dauerbeschallung durch Leise-Stellen mit Untertiteln oder Kopfhörer reduziert.

Wenn das Kind wach war, habe ich mich selbstverständlich ganz normal im Alltag mit ihm beschäftigt, wir haben kommuniziert, verbal wie nonverbal, haben unsere Bindung gestärkt. Ein striktes Handyverbot habe ich mir dennoch nicht auferlegt. Oft war einfach alles zu viel. Das neue Leben, die neue Stadt, neue Verantwortung, die Angst. Ich konnte meinen Mann jederzeit erreichen, als er wieder zeitweise ins Geschäft fuhr, weil wir ansonsten einen gemeinsamen Koller bekommen hätten. Wir haben uns kleine Nachrichten und Aufmunterungen geschickt, Wichtiges per Textnachricht (wir sind nicht so telefonier-affin) geklärt, einfach „gequatscht“, auch wenn wir nicht beieinander waren. Manche Tage schienen endlos. Was war ich froh, mich nebenbei etwas ablenken zu können.

Dennoch, diese Schuld, die uns innewohnt und später immer wieder auch von außen angetragen wird, wenn wir nicht die Rama-Eltern sind, die aller Elektronik abschwören, sobald die Kinder in der Nähe sind, sitzt tief. Klar fühlte ich mich mies, weil ich eben nicht zu 100% im analogen Alltag aufging. Bei mir war es nicht mal eine Wochenbett-Depression oder ähnliches.

Bedürfnisse 2.0

Beim zweiten Kind war all das schon selbstverständlicher. Das größere Kind hat ohnehin Medien genutzt, wir hatten ohnehin keine Zeit mehr zum Binge-Watchen, fingen aber an zu twittern. Irgendwie wurde alles pragmatischer. Mit K1 gingen die Routinen weiter. Wir machen uns seither nicht mehr so viele Sorgen und Gedanken, wir nutzen noch immer gern Serien und Filme zum Runterkommen, wenn sich mal ein Zeitfenster dafür öffnet, wir erledigen Dinge gern digital, sind weiter in die sozialen Netze eingetaucht.

Selbstredend bin ich immer dafür, sich selbst und das eigene Verhalten zu reflektieren. Wenn es belastend wird, für das Kind oder für sich selbst, man sich nur noch irgendwohin flüchtet, wo man vielleicht aber auch nicht das findet, was man braucht, sollte man dort ggf. nochmal genauer hinschauen: Was brauche ich wirklich und wo kann ich es sinnvoller bekommen? 

Ich bin auch heute immer mal wieder abwesender als ich möchte, weil ich mich nach fünf Jahren fast ununterbrochener Kinderbetreuung (mit K2 noch kindergartenfrei) nach meiner Arbeit sehne, die eben hauptsächlich online oder zumindest digital abläuft, mich allein nach ein paar analogen Gedanken am Stück sehne. Ich denke, suche, recherchiere, kreiere – klar, das finden meine Kinder nicht so toll.

Drohen schlechte Gedanken mich aufzufressen, suche ich Ablenkung auch, aber nicht nur, online. Nicht, dass Soziale Netze manches nicht unnötig schlimmer machen würden … Aber eben das habe ich im Laufe der Zeit auch gelernt: abzuschätzen, was mir gut tut und was eher nicht. Es ist sehr wichtig, sich nicht runterziehen zu lassen in dieser wertvollen Zeit, gut auf sich zu achten und ggf. zu pausieren. Ich bin in Fallen gestolpert, habe Diskussionen ausgefochten, Erschreckendes gelesen, aber auch wundervolle Menschen kennengelernt, schließlich auch im echten Leben, bin beruflich vorangegangen, habe mich mit Techniken vertraut gemacht, viel über Erziehung und Beziehung gelernt, Kompetenzen erlangt, die ich an meine Kinder weitergeben kann. Und ja, eben auch und gerade im Wochenbett, denn da war noch halbwegs Zeit dafür.

Smombies? Smarents?

Wir sind deshalb keine Rabeneltern, weil wir aufs Smartphone schauen, während wir das Kind stillen oder tragen oder mal eine Runde allein und zufrieden spielen lassen. Eltern diese Schuld pauschal aufzuerlegen schadet so viel mehr als die momentäre geistige Abwesenheit. Für viele Eltern ist dieser Kontakt nach außen eine mögliche Rettung – aus Verzweiflung und Depression zum Beispiel. 

Seelenheil first: Wenn ich mir als Strategie, um aus einer Niedergeschlagenheit herauszukommen und wieder besser fürs Kind da zu sein, mir einen lustigen oder extra traurigen Film anschauen möchte, dann tue ich das. Wenn es mir Halt in meiner Tagesstruktur gibt, den Tag mit meiner Lieblingsserie ausklingen zu lassen, dann ist das Selbstfürsorge, die allen zugute kommt. Wenn ich mich eine Weile lieber ohne digitale Geräte und Online-Zugang bewegen möchte, ist auch das bereichernd. Genau das macht für mich das bedürfnisorientierte Leben aus – digital wie analog.

Als (Klein-)Kinder lassen sie mich ohnehin nicht mehr ungestört auf irgendwas blicken. Also, keine Sorge, das regelt sich irgendwann von allein.

Als Nachtrag möchte ich noch erläutern, dass die digitale Welt meinen persönlichen Interessen entspricht, dass ich meine Berufung im medialen Bereich gefunden habe, mich dort aus- und weitergebildet habe, Computer & Co zu meinen alltäglichen Arbeitsgeräten gehören und ich durch bestimmte Eigenheiten meiner neurologischen Beschaffenheit bestimmte soziale und „analoge“ Situationen weder gut noch gern bewältige. Was ich hier beschreibe, ist also individuell unsere Situation. Deshalb: Achte gut auf dich und schau, was dir und der Familie in bestimmten Situationen gut tut.

Über Katherine:

Beruf – Was mit Medien // Haustiere – Hündchen (adoptiert) // Kinder – 2 (aka Käpt’n Elsa *2014. aka Fräulein Nilsson * 2017) // Mann – 1 (aka Der Pappa) // Special Interests – Cineastik & Binge Watching (Kino selten, Streaming immer). Animationsfilme (gucken und machen). Ballett. Dirigieren (mit Musik). Word Nerd.

Du findest Katherine unter Villa Kalimba auf Facebook, Instagram und Twitter sowie ihrer Homepage.
Um Medien geht es im Flimmer-Zimmer; meld dich gerne in der Facebook-Gruppe an und like es auf Facebook, Instagram und Twitter.

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