Schwangerschaft,  Selbstfürsorge

Was darf der Frauenarzt? Unnötige Grenzüberschreitung in der Gynäkologie

Triggerwarnung: Ich schreibe über Grenzüberschreitung, alte Muster und aufbrechen alter Wunden (psychisch).

Mut zur neuen Schwangerschaft

Ganz voran, ich bin schwanger (10. Woche) und bin sehr glücklich darüber. Vor einigen Monaten hatte ich noch gesagt ich will nie wieder Kinder bekommen aufgrund des Geburtstraumas und der folgenden Depressionen. Nachdem ich den Schmerz 2018 bis letztes Jahr sehr gut aufarbeiten und annehmen konnte, habe ich letztendlich doch angefangen an ein zweites Baby zu denken. Vor allem aber mit dem Wissen, dass ich so viel dazugelernt habe: Über Schwangerschaft und Geburt, über die Babyzeit, Bindung und Beziehung. Es geht immer anders und vor allem darf ich über mich und meinen Körper selbst bestimmen. So beschloss ich also: Wenn ich nochmal schwanger werde, dann wird es eine selbstbestimmte Hausgeburt auf die ich mich mit Hypnobirthing vorbereite. Und selbst wenn ich bei einem Notfall ins Krankenhaus muss will ich entsprechende Entspannungsmethoden dabeihaben und mich gegen falsche Behandlungen von Ärzten oder Hebammen durchsetzen können. Denn bei der Geburt geht es um mich und mein Baby und ich darf entscheiden, was mit meinem Körper gemacht werden darf und was nicht. Aus gesundheitlichen und zeitlichen Gründen wird oft ein Programm in der Klinik abgespult – sehr zum Nachteil der Gebärenden. Einleitung, unmögliche Geburtspositionen, tagelange Schmerzen bis zur völligen Erschöpfung, manchmal verbale und körperliche Gewalt durch Klinikpersonal und letztendlich der Notkaiserschnitt, oft mit stundenlanger Trennung vom Baby. Dazu werde ich gesondert einen Artikel verfassen, denn Gewalt in der Geburtshilfe ist leider alltäglich geworden (oder war es schon immer?). Mehr zu meiner ersten Alptraum-Geburt kannst du hier lesen:
Meine Traumgeburt, die zum Alptraum wurde

Eigentlich lief alles gut…

An Silvester machte ich den ersten Schwangerschaftstest, leider zu früh. Er war negativ und ich dachte: “Schade, hat leider nicht geklappt…” und war traurig. Dann blieb meine Periode aus, normalerweise auch nicht ungewöhnlich. Teilweise ist das bei mir bis zu einer Woche so. Meine Brüste waren aber gegenüber dem normalen ziehen sehr berührungsempfindlich und so langsam keimte in mir der Gedanke, dass der erste Test vielleicht falsch gewesen war. Nach 4 Tagen ausbleibender Periode wagte ich den nächsten Versuch und siehe da: Schwanger!
So wie ich bei der ersten Schwangerschaft vor Schock und Überraschung weinte, kamen mir dieses Mal pure Freudentränen. “Da wächst wieder ein kleines Wunder in mir!”
Ich hatte vorher viele Ängste – “kann ich überhaupt wieder schwanger werden? Was wenn beim Kaiserschnitt doch irgendwas kaputtgegangen ist, ein Eierstock verklebt ist?” und so weiter und so fort…
Mein Mann freut sich sehr mit mir; diesmal ist es ein richtiges Wunschbaby. Kurze Zeit später begann auch schon die Übelkeit; ich hatte mich sowieso schon gewundert so wenig Energie zu haben und im Treppenhaus (wir wohnen im 3. Stock ohne Aufzug) immer so schnell aus der Puste zu sein.
Zum Glück hing ich nicht wie in der ersten Schwangerschaft über der Kloschüssel und seit letzter Woche ist die Übelkeit bereits verschwunden. Insgesamt fühle ich mich sehr wohl und freue mich sehr auf die Geburt. Nach ein wenig Suche habe ich eine super liebe Hebamme gefunden, die mich vor und während der Hausgeburt begleitet.
Ich erkundigte mich bei Freunden und bei ihr wie es denn mit dem Frauenarzt aussieht. Wie viele Untersuchungen muss ich machen und welche sind wirklich wichtig?
Mir war von vornherein klar: Nach meiner Erfahrung von stündlichen bis halbstündlichen (teils sehr schmerzhaften) vaginalen Untersuchungen während der Geburt will ich das nicht beim Frauenarzt haben und auch während der Hausgeburt nur so viel untersucht werden wie nötig. Ich möchte mich auf meinen Körper verlassen und keine alten Erinnerungen hochkommen lassen.
Tatsächlich herausgefunden habe ich: Nichts muss, alles kann!
Keine einzige Untersuchung muss ich über mich ergehen lassen, ich darf auch hier über meinen Körper bestimmen. Also beschloss ich für mich: Blut abnehmen und oberhalb des Bauches schallen ist für mich vollkommen in Ordnung; mehr als die drei Ultraschalluntersuchungen will ich nicht. Für die Hebamme war das völlig in Ordnung, was mir auch nochmal ein gutes Gefühl der Sicherheit gab.

Erstens kommt es anders und zweitens als ich fühle…

Jetzt komme ich zum eigentlich schmerzlichen Teil des Beitrages. Ja, ich habe eine Frauenarztpraxis gefunden. Nein, ich konnte beim Termin ausmachen nicht fragen welche der vielen Frauenärzte ich bekomme und ob meine Wünsche bezüglich der 3 Untersuchungen berücksichtigt werden. Also fuhr ich mit der Einstellung hin genau das von Anfang an klarzustellen und einzufordern.
Meine Tochter war natürlich dabei, da ich sie zu Hause betreue. Im Wartezimmer saßen wir etwa eine halbe Stunde und Emily spielte wunderbar mit dem angebotenen Spielzeug. Dann saßen wir etwa 20 Minuten im Flur vor dem Untersuchungszimmer und ich füllte den Anmeldebogen aus. Emily wurde verständlicherweise langsam ungeduldig und ich vertröstete sie mit Keksen, Gummibärchen und Bücher lesen. Endlich kam ich dran und lernte die Frauenärztin kennen. Im Zimmer wurde mir übel, weil es nach irgendeinem grauenhaft süßlichen Duft roch (Parfüm oder Duftlampe?). Das war schon etwas seltsam, weil ich dachte es sei bekannt, dass Schwangere geruchsempfindlich sind. Sie klärte mit mir noch Krankheitsfälle in der Familie und die üblichen Fragen eben und ging dann den Mutterpass zur ersten Schwangerschaft durch. Ganz sympathisch war sie mir nicht, aber ich dachte mir ich gebe ihr eben eine Chance. Ich erzählte von meinem Geburtstrauma und den Depressionen und fragte ob es nur die drei Ultraschalluntersuchungen wären. Sie bestätigte und meinte, dass ich ja öfter da wäre und bei der ersten Aufnahme auch ein Abstrich zur Krebsvorsorge gemacht wird. Da hakte ich direkt ein und meinte, dass ich so oft während der ersten Geburt vaginal untersucht wurde, dass ich das bei ihr nicht mitmachen möchte. Daraufhin gab es ein Hin und Her, wobei sie hauptsächlich meinte ohne diese vaginale Untersuchungen könne sie den Mutterpass nicht anlegen und es wird nun mal immer so gemacht. Ich war kurz vorm heulen, weil ich nicht genau wusste was ich jetzt machen soll. “Ach das machen wir jetzt gemeinsam, das ist alles in Ordnung!” meinte sie nur. Ich fragte wieder ob es keine andere Möglichkeit gibt und war innerlich schon ziemlich erstarrt. Schon die Vorstellung mich gleich untersuchen lassen zu müssen erzeugten in mir Fluchtgedanken. In meinem Kopf schwirrte alles und dann rastete das alte Muster ein: “Stell dich nicht so an, sonst kriegst du keinen Mutterpass! Gib der Ärztin eine Chance, sie weiß was sie tut und es wird sicher nicht so schlimm wie du es dir einredest!” Die Fluchtgedanken wurden leiser. Dann sagte sie bestimmt zu mir: “Gehen Sie bitte in die Umkleide und machen sich untenrum frei!” Ich folgte, stand mit etwas wackeligen Beinen auf und lief mit Emily in die Umkleidekabine. Beim ausziehen dachte ich für einen lauten Moment: “Jetzt ist die letzte Chance! Geh raus und brech das Ganze ab! Du willst das doch gar nicht!” Aber wie in einer Automation mit einem Klumpen im Magen ging ich zum Untersuchungsstuhl (mir fiel auf, dass es im Raum gar keine Liege gab, nur diesen schrecklichen Stuhl). Ich fühlte mich völlig ausgeliefert. Der Abstrich zur Krebsvorsorge tat richtig weh. Ich biss die Zähne zusammen, unterdrückte erneut die Tränen und versuchte durchzuhalten. Die Frauenärztin versuchte ständig über belangloses Zeug zu reden, abgewechselt von “Ist doch gar nicht schlimm, schon vorbei, alles in Ordnung!” und “Na die Geburt ist ja schon lange rum, das machen wir jetzt!”. Doch für mich war es schlimm und ich sagte ihr auch, dass mir die Untersuchung weh tat. Ich hoffte nur, dass es schnell vorbei sei und ich gehen könne. Sie tat alle meine Beschwerden ab, als sei ich ein kleines Kind, dem man weismachen will, dass ein Beinbruch doch nicht schlimm sei. Gips drauf und alles gut!
Die Ultraschalluntersuchung tat wieder schrecklich weh und dieses Mal untersuchte sie länger. Ich konnte mich nicht über das kleine gesunde Baby freuen, das auf dem Bildschirm erschien. In meinem Kopf versuchte ich irgendwie zusammenzukratzen wie ich mit den Schmerzen umgehen soll. Versuchen den Unterleib zu entspannen, atmen, durchbeißen… Es half nichts, die Schmerzen wurden nur schlimmer. Das Ultraschallbild ist völlig verschwommen und im Endeffekt für den Müll. Letztendlich habe ich herausgefunden, dass ich schwanger bin, ein gesundes Baby in genau der richtigen Größe habe und das wars gewesen. Das wusste ich auch vorher schon. Die ganze Untersuchung hätte ich mir wirklich ersparen können!
Endlich war es vorbei und ich zog mich leicht zitternd um. Die Brust untersuchte sie noch, das war einigermaßen in Ordnung. Kurze Eintragung, eine Aufklärung über weitere Blutuntersuchungen, die ich selbst bezahlen müsste und Tschüss. War ja alles nicht so schlimm…
Im Flur mussten wir wieder warten und mir wurde Blut abgenommen. Ich sagte dazu, dass ich kein Blut sehen kann. Trotzdem wurde ich direkt danach an den Empfang gebeten. Mein Arm tat weh, mein Unterleib schmerzte und ich bekam den nächsten Termin in die Hand gedrückt.
Emily hatte Hunger und wir gingen zum Bäcker um die Ecke. Ich kaufte einen großen Milchkaffee und erst als ich saß und kurz Ruhe hatte – da fiel mir auf, dass ich am ganzen Körper zitterte. Mir ging es nicht gut. Wieder war ich kurz vor den Tränen und wollte nur noch nach Hause. Warum hatte ich das zugelassen? Warum habe ich schon wieder jemanden über mich bestimmen lassen?
Zu Hause weinte ich mich aus, rollte meinen schmerzenden Körper auf dem Sofa zusammen und kuschelte meine Tochter. Ich schreib mit einer guten Freundin und meinem Mann.
Heute habe ich den nächsten Termin in der Praxis abgesagt und die Schwangerschaftsvorsorge abgebrochen. Ich kann dort nie wieder hingehen. Mein altes Muster ist hervorgebrochen (Zähne zusammenbeißen und durchstehen), die Wunden und Erinnerungen von den Untersuchungen während der ersten Geburt sind wieder aufgerissen und meine körperlichen Grenzen wurden weit überschritten. Im Nachhinein fühle ich mich, als hätte ich einer Vergewaltigung zugestimmt.

Wie geht es weiter?

Letzte Nacht hat sich mein Darm völlig verkrampft und entleert. Mein Körper zeigt mir mit aller Macht, dass ich mit den Eingriffen nicht klarkomme. Es wird noch eine Weile dauern bis ich das verarbeitet habe. Darüber schreiben ist wie immer ein erster Schritt!
Und warum habe ich das öffentlich getan? Weil ich damit zeigen möchte, wie leicht hochsensible Menschen beeinflusst und manipuliert werden können. Weil wir unseren Körper beschützen müssen! Weil es so wichtig ist unsere Grenzen zu kennen und zu wahren!
Ich habe auf sehr sehr schmerzhafte Weise lernen müssen, das nächste Mal für mich einzustehen. Es ist mein Körper und ich bestimme alleine wer mich anfassen und untersuchen darf!
Lass dir von niemandem etwas anderes einreden!

Ich werde mit meiner Hebamme reden und mir für die letzten beiden Ultraschalluntersuchungen einen anderen Frauenarzt suchen. Dieses Mal ist mein Vertrauen in Ärzte vollkommen gebrochen. Ich werde mich nur noch auf mich, meinen Körper und meine Wünsche einlassen. Und wenn ich dafür Widerspruchserklärungen unterschreiben oder zehn Mal die Praxis wechseln muss.

In meinen Mutterpass wurde übrigens nichts eingetragen; es fühlt sich völlig umsonst an untersucht worden zu sein…

Pass auf Dich auf!
Deine Julia Amelie

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