Blogtober

13. Blogtober – Wie Babys zur Sprache finden

Ein toller Gastbeitrag von Bettina Gruber!

Wie Babys zur Sprache finden

Da liegt es also nun, dieses kleine rosige Bündel, das dich gerade noch von innen getreten hat. Und du hast jetzt die Aufgabe, dich darum zu kümmern. Du willst verstehen, was es dir mitzuteilen versucht, aber es wird noch Monate dauern, bis es dir wirklich etwas sagen wird können. Bis dahin wirst du lernen, das Grunzen, das Raunzen, das Schreien bestmöglich zu interpretieren.

Und dein Baby wird auch lernen, dich zu verstehen. Genau genommen, hat dein Baby bereits in deinem Bauch damit begonnen, deine Sprache zu lernen. Ja, genau, das hast du richtig gelesen. Dein Baby hat bereits in deinem Bauch damit begonnen, deine Sprache zu lernen. So etwa im 5. Schwangerschaftsmonat, wenn das Baby bereits hören kann, beginnt auch der Spracherwerb. Und stell dir vor, bereits in der 26. Schwangerschaftswoche ist ein bestimmtes Areal im Gehirn erkennbar, das später wesentlich an der Sprachverarbeitung beteiligt sein wird. Sobald dein Baby dann auf die Welt kommt, erkennt es seine Muttersprache. Und natürlich deine Stimme.

Du denkst dir vielleicht, dein Neugeborenes versteht dich eh noch nicht. Also ergibt es auch nicht viel Sinn, jetzt schon mit ihm zu reden. Aber Kinder lernen Sprache durch die Interaktion mit ihren Bezugspersonen. Und zwar die stetige, dauernde und immer wiederkehrende. 

Auch wenn es dir vielleicht komisch vorkommt, aber wenn du vom ersten Tag an deinem Baby immer erklärst, was du mit ihm machst, dann wird es bald die Worte, die du verwendest, mit der Situation in Verbindung bringen. “Ich ziehe dir jetzt eine Jacke an.” “Ich setzte dir jetzt gleich eine Haube auf.” “Du trinkst dein Fläschchen.” “Möchtest du hochgehoben werden?” “Ich gebe dich ins Tragetuch, wir gehen jetzt hinaus.” “Ich glaube du hast Hunger. Magst du stillen?”

Aus sprachwissenschaftlicher Sicht ist es daher durchaus sinnvoll, schon von Beginn an so viel wie möglich mit deinem Baby zu sprechen. Babies sind nämlich von Geburt an darauf ausgerichtet, ihre Umgebungssprache(n) zu lernen. Das können sie aber nur, wenn sie sie auch entsprechend viel hören. Und zwar am besten von all seinen Bezugspersonen.

Außerdem kennst du das vielleicht auch, dass du in einer dir fremden Sprache, die du ein bisschen beherrschst, viel mehr verstehst als du selbst in dieser Sprache sagen kannst. So geht es unseren Kindern auch ganz lange. Sie verstehen sehr schnell sehr viel mehr als selbst produzieren können. Die ersten richtigen Wörter kommen erst mit rund einem Jahr, aber sich häufig wiederholende Prozesse können sie durchaus auch schon anhand der sie begleitenden Wörter erkennen, wenn sie sie denn oft genug zu hören bekommen.

Und wenn man Emmi Pikler oder Magda Gerber fragt, dann verdienen es unsere Kinder, dass wir sie von der ersten Minute an respektvoll behandeln. Dazu gehört auch, dass man sie nicht einfach anzieht, umzieht, hochhebt oder angreift, ohne es vorher anzukündigen. Stell dir vor, mit dir würde das jemand machen? Dich einfach hochheben, dir plötzlich eine Hose anziehen oder womöglich sogar eine Windel wechseln, ohne auch nur ein einziges Wort zu dir zu sagen? Eben. Unsere Kinder verdienen den gleichen Respekt, und Sprache ist dabei ein ganz wesentlicher Teil davon.

Über Bettina Gruber:

Bettina Gruber ist Sprachwissenschaftlerin und Mutter von 3 mehrsprachigen Kindern. Ihre Mission ist es, möglichstvielen Familien einen entspannten Start in die Mehrsprachigkeit zu ermöglichen, indem sie sie mit wissenschaftlich fundierten Informationen und praxisnahen Tipps versorgt. Am 4. November startet ihr 4-wöchiger Onlinekurs “Entspannt in die Mehrsprachigkeit”.
Zu finden ist sie auf Instagram @die_linguistin, auf Facebook und auf www.dielinguistin.at

Photo von Bettina Gruber

Baby: Photo by Alyssa Stevenson on Unsplash

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